Food Assembly in Friedrichshain

Ich kann zwar gerade vor Dingen, die unbedingt erledigt werden wollen, kaum gucken - dennoch habe ich es vorgestern mal schnell auf die andere Seite der Frankfurter Allee zum Boxi geschafft und mich bei der Eröffnung der ersten Food Assembly in Friedrichshain in der Krossener Str. 20 im hübschen Café Lisboa umgesehen und genascht.

Eröffnung der 1. Food Assembly in Berlin Friedrichshain

Food Assembly - kann man das essen?

Das Konzept erschien mir nach ersten Blicken auf die bunte und volle Webseite etwas verwirrend, vor Ort konnte ich mich allerdings überzeugen lassen, dass es ne spannende Sache ist. Hinter dem ziemlich zungenbrecherrischen Namen versteckt sich - so weit ich das verstanden habe -  im Grunde etwas ganz Simples und eigentlich recht Cooles: Man bestellt via Webseite bis 2 Tage vor dem regelmäßigen wöchentlichen Termin verbindlich Waren und zahlt online vor. Die Hersteller kommen selbst zum Ort (für ca. 2 Stunden). Man kann seine bestellten Produkte abholen und direkt mit den Herstellern darüber quatschen. Das hat mehrere Vorteile: Planungssicherheit für die Hersteller, die nicht auf verderblichen Waren sitzen bleiben, sehr nette Öffnungszeiten für Berufstätige (die Assembly im Lisboa geht von 17-20.00  Uhr - welcher Bauernmarkt bietet das?), qualitativ hochwertige Produkte von regionalen Anbietern/Manufakturen, Abwechslung (die Hersteller werden, um Eintönigkeit entgegen zu wirken, nach einem Plan auch durchgewechselt), der Preis (trotz Marge, die an die organisierenden Menschen gezahlt wird, soll der Preis circa 30-40% unter dem liegen, was im Bioladen gezahlt wird) - und das alles, ohne seine Seele via Mitgliedsbeitrag oder Mindestbestellwert auf Ewig und drei Tage zu verpfänden. (Ich find's übrigens echt gut, dass die Leute, die das organisieren, nicht wie bei ehrenamtlichen Projekten mit nem Kopftätscheln und nem feuchtkalten Händedruck auf der Strecke  bleiben, sondern für ihre Arbeit auch entlohnt werden.)

Eröffnung der Food Assembly in Berlin Friedrichshain Und? Funktioniert's?

Okay, okay - ich höre mich fast an wie eine Marketingbroschüre, aber  ich finde die Idee wirklich nett, auch wenn mir die sperrige Bezeichnung zunächst nur mit Übung über die Lippen will, dabei mag ich Anglizismen. Ob das alles so schön klappt, wie gedacht, wird die Zeit zeigen. Gekauft habe ich letztens Nichts, sondern mich nur durch fast alle Tische mit Leckereien hindurch probiert. Das mit dem ins Gespräch kommen funktioniert allerdings wirklich. Ich bin noch auf keinem Markt (inklusive Naschmarkt - vielleicht sind die Händler da schon von den begeistert vorbeiströmenden Touris und dem Bejubeln so übersättigt?) so gut mit den Erzeuger/innen ins spannende Quatschen über Produkte und deren Herstellung gekommen wie hier.

Zum Beispiel mit dem netten Georg vom Röstkollektiv The five Roasters, bei dem ich Kaffee probiert habe, der mir - sogar ganz ohne Milch (und dabei bezeichnen böse Zungen mich als Milchkaffeetrinkerle) - hervorragend schmeckte. Und er hat außerdem ganz heldenhaft meine Tasche bewacht, während ich mir alles ansah. Danke nochmal! 😉

Bei Hans von der Schokoladenmanufaktur Belyzium (Motto: tree to bar) gab es aromatisch-säuerlich-fruchtige Schokolade zum Polarisieren (seine Worte, nicht meine) und Philosophien über das äußerst hübsche Logo der Manufaktur. (Gotische Kirchenfenster? Querschnitt einer Kakaofrucht. Oder doch weibliche Fortpflanzungsorgane?) Achtung: In der Chocolaterie bieten sie auch Eis an - das ist bestimmt mal eine Probeschlecken wert.

Und wohl nur bei solchen Anlässen kann man zu anwesenden Männern (relativ) gefahrlos (und total unbedacht) Sätze sagen wie "Hey, kannst du mir was zu deinen Eiern erzählen?" (In dem Moment wo ich das unbedarft aussprach, brach meine innere 15jährige in meinem Kopf allerdings in wildes Gekicher und Hustenanfälle aus.)

Oh und ich habe tollen Schinken gekostet und sogar todesmutig (ich mag Honig pur überhaupt nicht, nur verarbeitet - aber da liebe ich ihn) Honig getestet und mir von André (? Sagt zumindest das Visitenkärtchen) von der Imkerei an der Probstheide einiges über Bienenhaltung und die Biohonigproduktion erklären lassen.

Nahrungsmittel bei der Eröffnung der Food Assembly in Berlin Friedrichshain

Dann habe ich noch Chutney probiert und die zum Reinbeißen köstlich aussehenden Radieschen der der Gärtnerei Luch bewundert - den Göttern sei Dank nicht von unten. Den beiden supernetten Frauen vom Stand winke ich hier mal zu. Ihr lest ja bestimmt mit und wie prophezeit habe ich leider schon eure Namen verdrängt - bestimmt hinfortgespült von dem Gewitter auf dem Heimweg. 😉 Aber so konnte ich direkt testen, ob meine neue Kameratasche auch wirklich wasserdicht ist.

Spaß hat's gemacht. Bleibt mir nur zu hoffen, dass bald auch eine Food Assembly für's Nordkiez in Friedrichshain aufmacht, das würde mein Foodbloggerinnenherz wirklich erfreuen, ich vermisse immer noch schmerzlich den kleinen Ökomarkt, den es hier für kurze Zeit mal im Samariterkiez gab. (Und nein, den Vorschlag, dass ich selbst eine aufmache, ignoriere ich vorerst ganz tapfer.)

4 Antworten

  1. Sabine

    Danke für den spannenden Bericht! Klingt nach einer schönen Initiative. Aber ob so was dann wirklich eine alltagstaugliche Art der Lebensmittelbeschaffung ist? Offenbar aber zumindest für Foodies ein nettes Happening. Mal sehen, ob’s so was auch demnächst mal in Hamburg gibt.

  2. Shermin

    @Sabine – Ja, das wird sich dann im laufenden Betrieb zeigen, ich finde die Idee erstmal spannend. In Frankreich gibt es das wohl schon länger und auch recht erfolgreich. Das Konzept ist also nicht komplett neu und unerprobt. Wenn man eine Assembly direkt in der Nähe im Kiez hat, kann ich mir das schon gut vorstellen. Ich liebäugle zum Beispiel seit Jahren immer mal wieder mit ner Biokiste, kann mich dazu aber nicht dazu durchringen. Hier mit verschiedenen Produzenten, keinem Mindestbestellwert und ner bequemen Abholzeit ist es mir persönlich irgendwie sympathischer und mh… zugänglicher.

  3. Melanie

    Ich habe heute vom Apfeltraum Stand am Chamissoplatz von der Food Assembly erfahren. Sie machen dort scheinbar auch mit. Ich werde mir das Konzept mal ansehen, mal sehen ob es auch was in Neukölln gibt. Was Biokisten betrifft fand ich Apfeltraum immer sehr praktisch, da man auch statt einem Abo im Onlineshop sich seine Kiste zusammen stellen kann. Vielleicht wäre das ja was für dich. Liebe Grüße Melanie

  4. Shermin

    @Melanie – Oh, die haben ja sogar gerade Jungpflanzen im Angebot. Ich glaub’ da werde ich probehalber mal was bestellen. Danke! 🙂

  5. Für kritischeren Konsum: Rezension von “Das Klimakochbuch” « Allgemeines « Der magische Kessel

    […] Fazit: Ein interessantes Buch für bewussteres Einkaufen und kritischeren Konsum. Für die, die schon totale Klima-Experten sind und eventuell vegan leben, wird dieses Kochbuch wahrscheinlich nicht genug in die Tiefe vordringen. Für den Großteil der Menschheit, deren Form von Klimafreundlichkeit sich bisher nur auf das Weglassen von Plastiktüten beim Einkauf beschränkte, kann das Klimakochbuch aber ein großer Zugewinn – von den Informationen, bis hin zu den geeigneten Zutaten – und Wegweiser sein, um selbst aktiv zu werden. Wer mehr regional und direkt von Erzeuger*innen einkaufen möchte, dem sei die Organisation "Marktschwärmer" sehr ans Herz gelegt. Ich kaufe dort mehr oder minder regelmäßig ein und hatte bei deren Start in Berlin auch über sie berichtet, damals nannten sie sich noch etwas zungenbrecherisch "Food Assembly". […]

Einen Kommentar schreiben

Hallo, liebe*r Leser*in,
schön, dass du hier bist! Du willst mehr lesen? Hier kannst du dich zu meinem Newsletter anmelden: